3. April 2020

Besonders zu beachten: Baubehinderungs-Anzeige

Foto: pixelio.de / Rainer Sturm

Noch zum Jahreswechsel 2019/2020 war nicht abzusehen, welche massiven Auswirkungen die Corona-Pandemie auf die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern der Welt, haben wird. Die Pandemie hat in Deutschland zu erheblichen Beeinträchtigungen der Bauwirtschaft geführt. Da sich die Ausbreitung des Coronavirus auch auf die Durchführung von Bauverträgen auswirkt, fragen sich viele Baubeteiligte, auf welche Regularien in Zeiten der Corona-Krise besonders zu achten ist. Hierbei gerät insbesondere eine Vorschrift aus der VOB/B in den Blick - die Behinderungsanzeige gemäß § 6 Abs. 1 VOB/B.

Bei der Prüfung, wie ein Auftragnehmer vorgehen sollte, wenn seine Mitarbeiter durch behördliche Anordnung unter Quarantäne gestellt werden oder die Baustelle in einem Quarantäne-Gebiet liegt, ist eine Einzelfallbetrachtung geboten. Dies bedeutet, dass im jeweiligen Einzelfall einerseits die vertraglichen Grundlagen auszuwerten und andererseits die konkrete Situation im Betrieb des Auftragnehmers oder auf der Baustelle zu berücksichtigen sind.

Im Rahmen der Ausbreitung des Coronavirus ergibt sich eine Vielzahl neuer rechtlicher Fragen; eine belastbare obergerichtliche Rechtsprechung zur Auswirkung der Corona-Pandemie auf die Durchführung von Bauverträgen gibt es bislang (Stand: Anfang April 2020) nicht.

Mögliche Corona-Fallgestaltungen

Im Hinblick auf die einschneidenden Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft sind während der Corona-Krise insbesondere die nachstehenden Fallkonstellationen zu betrachten.

Denkbar ist, dass große Teile der Belegschaft eines Auftragnehmers - im ungünstigsten Fall sämtliche Mitarbeiter - beispielsweise in der Umsetzung des Infektionsschutzgesetzes unter Quarantäne gestellt und ihnen ein Arbeitsverbot auferlegt wird.

Daneben kann es passieren, dass der Auftragnehmer keinen Zugang mehr zur Baustelle hat, weil diese in einem Quarantäne-Gebiet liegt.

Obwohl es bislang keine belastbare Rechtsprechung gibt, dürften die Gerichte - hierfür spricht einiges - die Corona-Pandemie im Zusammenhang mit den obigen Fallkonstellationen als „höhere Gewalt" oder einen für den Auftragnehmer „unabwendbaren Umstand" ansehen.

Dem Auftragnehmer ist grundsätzlich anzuraten, vorsorglich gegenüber dem Auftraggeber gemäß § 6 VOB/B Behinderung anzuzeigen, um seine Rechte zu wahren.

Behinderungsanzeige des Auftragnehmers

Nach § 6 Abs. 1 VOB/B, aber auch nach § 642 BGB, ist der Auftragnehmer zur unverzüglichen schriftlichen Behinderungsanzeige verpflichtet, wenn er sich in der ordnungsgemäßen Ausführung der Leistung behindert glaubt. Die Rechtsfolge einer ordnungsgemäßen Behinderungsanzeige besteht insbesondere in einem Anspruch auf Bauzeitverlängerung (§ 6 Abs. 2 VOB/B).

Aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg

Im Rahmen einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung hat sich das Oberlandesgericht Oldenburg grundsätzlich und vertieft mit den Anforderungen an eine Behinderungsanzeige gemäß § 6 Abs. 1 VOB/B befasst und Folgendes herausgearbeitet. Eine Behinderungsanzeige gemäß § 6 Abs. 1 VOB/B muss alle Tatsachen enthalten, aus denen sich für den Auftraggeber mit hinreichender Klarheit und erschöpfend die dem Auftragnehmer bekannten Hinderungsgründe ergeben. Die Angaben müssen sich darauf erstrecken, ob und wann seine Arbeiten, die nach dem Bauablauf nunmehr ausgeführt werden müssten, nicht oder nicht wie vorgesehen ausgeführt werden können. Der Sinn und Zweck einer Behinderungsanzeige besteht aus Sicht des Oberlandesgerichts Oldenburg darin, den Auftraggeber vor drohender Inanspruchnahme zu warnen und ihm Gelegenheit zur Abhilfe zu verschaffen (OLG Oldenburg, Urteil vom 20.08.2019; Az: 2 U 81/19). Neben den vorgenannten inhaltlichen Anforderungen sollte der Auftragnehmer dafür sorgen, dass er ggf. den Zugang der Behinderungsanzeige beim Auftraggeber nachweisen kann (vorab per Telefax, Einschreiben/Rückschein, Zustellung mit Boten o.ä.).

Autor: Jörg Teller, Rechtsanwalt, Fachanwalt für und Bau- und Architektenrecht.

Auf die Homepage der Kanzlei SMNG aus Frankfurt am Main gelangen Sie über diesen Link.


Sie wollen regelmäßig über aktuellen Neuheiten und Entwicklungen informiert sein? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter oder schließen ein Abonnement der Print beziehungsweise der e-paper Ausgabe von bauelemente bau ab.

Sie meinen, diese Meldung könnte auch für Ihre Kollegen von Interesse sein? Dann freuen wir uns über Ihre Weiterempfehlung!

Diese Nachricht teilen Facebook Logo Twitter/X Logo LinkedIn Logo Xing Logo Pinterest Logo



Das könnte Sie auch interessieren

15. September 2025

Wolf Hoppe feierlich in den Ruhestand verabschiedet

Rund 100 Gäste sind im September der Einladung von Christoph Hoppe gefolgt, seinen Bruder Wolf Hoppe, der mit ihm zusammen jahrzehntelang erfolgreich die Geschicke der Hoppe-Gruppe geleitet hat, in den Ruhestand zu verabschieden. Unter den Gästen waren …

26. August 2025

Bundesverband Wintergarten lädt zu den Wintergartentagen 2025

Im kommenden November ist es wieder so weit: Die Branche rund um Wintergärten und Terrassendächer trifft sich am 13. und 14. November 2025 in Berlin zu den Wintergartentagen. Auf dem Programm der Veranstaltung des Bundesverbandes Wintergarten e.V. …

13. Mai 2024

VFF-Webinar „VOB und Recht“

Besonders in baukonjunkturellen Krisen empfiehlt sich den Unternehmen, die Randbedingungen so zu justieren, dass sie ihre wirtschaftliche Standfestigkeit maximal stärken können. Dazu gehören unter anderem die Erwirkung einer zeitnahen Abnahme mit …

zur Übersicht


Newsletter